Altgeorgische Ränkeschmiede

Nein, das ist jetzt nicht Dein Ernst oder? Also mehr als fünf Minuten sollten wir zwei da aber nicht drauf verwenden. Grad hatten wir doch einen guten Flow und jetzt eine Null-Nummer? Dafür haben wir doch eigentlich keine Zweit. Punkt. Das ist meine Meinung. Neun, das denkst Du nicht? Die werfen uns doch achtkantig raus, sechs, sitzenbleiben.

Einmal ne ordentliche Folge. Keine Null- und Nichts-Folge, bitte, Du hattest gesagt, Du gibst darauf acht. Wertvoller Content, gradlinig, klar. Und jetzt machst Du das? Doppelt dreist ist das. Punktuelle Zweisamkeit also nur. Aber Achtung, mein Freund, sonst waren wir die längste Zeit zu zweit.

Bis wir 85,2 sind …

Statistisch gesehen ist es unwahrscheinlich, dass wir überhaupt 95 werden. Wie wirkt sich das jetzt auf unsere Bucket List aus?

Bis wir 95 sind … (Teil 3)

Er ist ein bisschen groß für das Dreirad und es quietscht seltsam. „Du bist zu spät, Herr Johannesbaum. Hast Du jetzt Angst, Herr Johannesbaum?“ fragt der Mann auf dem Dreirad und lacht dabei. Ich kenne doch diese Stimme und dieses Lachen, das kenne ich doch. Klar hab ich Angst, aber nur, den Job nicht zu kriegen, nicht vor dem Typen auf dem Dreirad. Also sag ich „Ne, nicht … wirklich.“ Er steigt ab von seinem Dreirad und kommt auf mich zu. „Du machst Dir nicht viele Gedanken, was? Keine Angst hast Du also?“ Jetzt lacht er wieder so. Aber ist das ein nettes Lachen oder lacht er mich aus? Oder ist es ein diabolisches Lachen? Irgendwie alles ein bisschen. Wer ist das? Und was will der jetzt von mir? Oder ist das schon die erste Prüfung? Es riecht irgendwie komisch. So ein bisschen süßlich, aber nicht lecker. Eher eklig. Beißend. Es wird jetzt etwas besser, weil die Türe wieder zugefahren ist, aus der der Typ mit dem Dreirad kam, aber der Geruch ist trotzdem noch sehr präsent. „Wenn Du jetzt eine Folge mit mir aufnehmen würdest, Fiete, hättest Du spontan eine Idee?“ Jetzt duzt er mich? Mist. Mist, Mist, denke ich, klar, das ist nicht nur ein Teddymaske, das ist Teddy. Das muss er sein. Klar, dieses Lachen. Diese Stimme, ich Idiot. „Fiete?“, jetzt nimmt er die Maske ab. Ist ein bisschen verschwitzt, aber man riecht es nicht, dieser Geruch hier kommt nicht von ihm. Er schaut mich fragend an. Das ist er, das ist Teddy. Es gibt ja kaum Fotos von ihm, schon gar keine aktuellen, aber er sieht so aus, wie man überall liest. Cool, irgendwie, aber auch solide. Alles dreht sich jetzt in meinem Kopf, ich bin noch aufgeregter. Ich hatte so viele Ideen aufgeschrieben. Jetzt fällt mir keine mehr ein. „Emm.“ Ich stammle nur noch. „Ein Quiz vielleicht oder ein Contest?“ Meine Fresse, mehr kriege ich jetzt nicht raus … So schlimm ist es. Aber dann lacht er schon wieder und er freut sich. Und umarmt mich. „Das ist doch ideal! Du kommst zu spät, denkst nicht viel und hast keine Ideen! Du erfüllst alle Kriterien!“ Und er meint das ernst, der meint das wirklich ernst, das ist keine Ironie, jedenfalls fühlt es sich nicht so an, ich bin mir ganz sicher. „Komm mit, ich zeig Dir mal was“, sagt er dann plötzlich und ich gehe ihm hinterher, in genau die Türe, aus der dieser Gestank kommt. Die Tür geht auf. Was ich dort sehe, kann ich nicht fassen. Jetzt habe ich Angst. Mehr als das. Angst reicht nicht mehr als Beschreibung für das, was ich bei diesem Anblick empfinde.

(Fortsetzung folgt.)

Bis wir 95 sind … (Teil 2)

Am EUTER-Gebäude komm ich erstmal gar nicht rein. Da ist eine riesige Glastür. Die geht aber nur auf, wenn man vorher sein Auge in so einen Scanner reinhält. Das mache ich, aber es piepst nur. Wie ein Rauchmelderpiepsen. So penetrant. Als hätte ich was Schlimmes getan. „Ihr Name bitte?“ trötet dann eine Stimme aus dem Nichts. Erschreckend. „Fiete“, sag ich. „Fiete Johannesbaum“. „Echt jetzt?“ fragt die Stimme. „Ist halt mein Name, ja“, sag ich, „ich habe einen Termin bei Herrn Müller“. Pause. Dann ein Lachen. Kommt mir bekannt vor irgendwie. „Ach so, alles klar, hallo Herr Johannesbaum, dann kommen Sie mal rein.“ Und die Glastür schiebt sich auf und ich gehe rein. Da ist ein Empfang. Sogar ein Desinfektionsmittelspender. Den benutze ich aber nicht, die könnten ja denken, ich denke, ich würde Keime mitbringen. Oder sie denken, ich denke, sie haben welche da. Was ich gar nicht denke. Ich kann ja eh nicht denken, so aufgeregt bin ich. Und es ist gespenstisch leer hier. Komisch. Dann höre ich ein Quietschen. Rhythmisch, kommt immer näher. Was ist das denn? Da kommt jemand auf einem Dreirad hereingefahren mit einer Teddymaske auf.

(Fortsetzung folgt.)

Bis wir 95 sind … (Teil 1)

Anzüge sind furchtbar, ich trage nicht gerne Anzüge, ich fühle mich darin einfach nicht wohl. Außerdem ist es heiß und schwül und alle anderen in der Bahn tragen T-Shirts. Ich schwitze jetzt schon, wie soll das gleich erst noch werden? Ich kann das Jackett auf keinen Fall ausziehen, darunter ist alles feucht. Tropisch feucht. Ich hasse Anzüge. Ich hasse Bewerbungsgespräche. Aber ich muss da jetzt durch und ich will den Job so sehr. Die Voraussetzungen sind denkbar ungünstig. Keinerlei professionelle Erfahrung, ich bin super aufgeregt, ich schwitze, ich zerlaufe, ich halts nicht aus. Aber ich schaffe es aus der Bahn und zu Fuß an der Hauptstraße entlang, Google zeigt mir den Weg sicher, man kann das Hochhaus aber auch nicht verfehlen. Fünf riesige Buchstaben auf dem Dach. EUTER. Esel und Teddy Entertainment Radio. Wo jeder, der Podcasts macht, gerne hinwill. Alle wollen sie da hin. Aber die meisten scheitern. Fast alle scheitern und müssen dann woanders unterkommen. Es gibt aber nur schlechtere, das ist leider so. Bitte lass es klappen, bitte, bitte. Ich bin vorbereitet, ich habe Ideen, ich habe Quizze, Contests, historische Hörspiele, Top-10-Listen, ich habe alles mitgebracht, ich hab mich monatelang vorbereitet. Aber man kann sich auf ein Bewerbungsgespräch bei Esel und Teddy nicht vorbereiten, das ist, was dir alle erzählen. Du kannst machen, was du willst, aber du weißt nie, was kommt.

(Fortsetzung folgt.)